- CDU und CSU wollen den Familiennachzug zu subsidiär Geschützten vollständig abschaffen. Wenn Jesus nicht auferstanden wäre, würde er sich angesichts einer so unchristlichen Haltung im Grabe herumdrehen. Die Werte einer einstigen Familienpartei werden über Bord geschmissen und auf dem Altar des Populismus geopfert, um sich über eine nächste Landtagswahl zu retten. Für eine bessere Steuerung und Ordnung, auch Begrenzung, von Fluchtbewegungen, für die ich eintrete, braucht es ein Gesamtkonzept ineinander greifender, unterschiedlicher Maßnahmen und keine Symbolpolitik auf dem Rücken der Schwächsten. Die ganze Diskussion ist beschämend und unangemessen.
- In der Diskussion wird oftmals vorgetragen, die Bevölkerung sei mehrheitlich gegen den Familiennachzug. Nach meiner Auffassung prägt die Qualität der politischen Diskussion auch die Stimmung im Lande. Je nachdem, wie gefragt wird, erhält man unterschiedliche Antworten. Ich bin weiterhin sicher, dass unsere Bevölkerung bereit ist, im Rahmen unserer Möglichkeiten schutzbedürftigen Menschen zu helfen, die mit guten Gründen aus ihrer Heimat geflohen oder dort noch in Gefahr sind, den Schwächsten, etwa Kindern, Kranken, Behinderten zuerst. Würde man die Bevölkerung fragen, ob sie eher für den geordneten Familiennachzug oder für chaotische Zustände wie 2015, Schlepperunwesen und Sterben im Mittelmeer ist, wäre die Antwort eindeutig. Wenn seitens der CDU behauptet wird, dass mit der Aussetzung des Familiennachzugs ein „unkontrollierter“ Familiennachzug beendet würde, sage ich: Das Gegenteil ist der Fall. Familiennachzug bedeutet Kontrolle, Aussetzung bedeutet Schlepperunwesen.
- Die SPD hat das Recht auf Familiennachzug für subsidiär Geschützte in der letzten Wahlperiode erst durchgesetzt, weil deren Situation praktisch dem der Asylberechtigten oder der Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) entspricht: Sie können absehbar über Jahre nicht zurück in ihre Herkunftsländer und dürfen nicht dauerhaft von ihren Familien getrennt werden. Dass dieser Rechtsanspruch nun durch ein Kontingent ersetzt wird, ist ein gravierender Rückschritt.
- Was „im Rahmen unserer Möglichkeiten“ bedeutet, sollte in einem offenen Diskurs erörtert werden. Es ist Zeit, partizipative Ansätze in der Flüchtlingspolitik zum Tragen kommen zu lassen und den Kommunen mehr eigene Spielräume zu geben.
- Es ist der SPD in den bisherigen Gesprächen gelungen, den Familiennachzug zu subsidiär Geschützten im Rahmen eines Kontingents von 1000/Monat (12.000/Jahr) zu ermöglichen. Außerdem ist klargestellt, dass darüber hinaus Härtefälle nach den geltenden Regeln des Aufenthaltsgesetzes Berücksichtigung finden können. Dies ist gegenüber der vollständigen Abschaffung des Familiennachzugs zu subsidiär Geschützten, wie sie CDU und CSU vorschwebt, positiv.
- Gleichzeitig wird der Familiennachzug zu subsidiär Geschützten nach dem vorliegenden Verhandlungsergebnis als Rechtsanspruch abgeschafft und durch eine Kontingentlösung ersetzt. Diese deutliche Verschlechterung der Rechtsstellung von subsidiär Geschützten wäre nur zu vertreten, wenn die Kontingentlösung unseren Möglichkeiten entspräche und nach humanitären Kriterien ausgestaltet wird.
- Die Zahl von 1000/Monat ist vor dem Hintergrund der Kapazitäten in den Auslandsvertretungen und der fortbestehenden Rechtsansprüche von Asylberechtigten und GFK-Flüchtlingen zu bewerten. Eine Größenordnung von mehr als 20000/Jahr für die subsidiär Geschützten ist derzeit praktisch nicht darstellbar.
- Gleichzeitig wird dies Wartezeiten für den Familiennachzug zu subsidiär Geschützten von bis zu fünf Jahren bedeuten (gerechnet für eine Zahl der Anspruchsberechtigten von ca. 60000). In diesen Zeiträumen werden unbegleitete Kinder in Deutschland volljährig werden und dadurch Gefahr laufen, ihre Familie dauerhaft zu verlieren. Schon dies ist mit dem Recht auf Familie unserer Verfassung und der Kinderrechtskonvention schwerlich vereinbar.
- Über die bestehende Härtefallregelung sind im Jahr 2017 weniger als 100 Visa ausgestellt worden. Härtefälle sind nach der Definition singuläre Einzelschicksale, die sich deutlich von anderen Fällen abheben. Die Härtefallregelung muss gesetzlich neu gefasst werden, wenn darüber beispielsweise grundsätzlich Kindern oder denjenigen, die seit mehr als beispielsweise drei Jahren von ihrer Familie getrennt sind, ein Nachzug ermöglicht werden sollte. Nur dann entspräche dies dem Votum des SPD-Bundesparteitags, der eine „weitergehende“ Härtefallregelung gefordert hat.
Ich stimme heute dem vorliegenden Antrag von CDU/CSU zu, weil ich Sorge habe, dass ansonsten überhaupt keine Lösung für die Betroffenen zustande kommt, denn im Bundestag gibt es eine Mehrheit für die vollständige Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Geschützten.
Ich werde mich mit der SPD-Fraktion weiterhin für einen Rechtsanspruch, eine wirksame gesetzliche Härtefallregelung oder konkretisierte Verwaltungsvorschriften, um der Verwaltung Anhaltspunkte für einen Härtefall zu geben, einsetzen. Darüber könnte man dann z.B. auch die Trennungszeit bei insbesondere Kleinkindern als Härtegrund einführen.