Wenn ein Mensch freien Willens entscheidet, sich das Leben nehmen zu wollen, ist das zu respektieren. Er darf dafür auch Hilfe anderer in Anspruch nehmen, die dazu bereit sind. Eine Verpflichtung, bei der Selbsttötung geholfen zu bekommen, gibt es gegenüber niemandem, auch nicht gegenüber dem Staat. Und auch wenn ein Mensch einverstanden wäre, darf ein anderer ihn nicht töten. Das ist unsere Rechtslage. Wieso gibt es Regelungsbedarf?
Zunächst ein paar Fakten zu Suiziden: Über 9.000 sind es pro Jahr in Deutschland, etwa 100.000 versuchen es. Darunter sind Todkranke, Lebensmüde oder Menschen, die von akuten Krisen getroffen sind, seien diese gesundheitlich oder existenziell. Die meisten Suizidwilligen sind jedoch nicht gleichzeitig Sterbewillige, eher wollen sie nicht so leben, wie es sich für sie in ihrer aktuellen Situation darstellt. Suizidgedanken haben viele Menschen, immer einmal, doch meist schwankend und vorübergehend. Je besser ein Mensch eingebunden ist in Beziehungen, desto seltener ist der Suizidgedanke von Dauer.
Ich möchte in einer Welt leben, in der alle Menschen ihren Platz haben und niemand sich überflüssig oder als Last empfinden soll. Zur Zeit sind wir auf die Rechtslage vor dem Beschluss des Bundestags aus dem Jahr 2015 zurückgeworfen. Damals wurde die sogenannte „geschäftsmäßige“ Beihilfe zum Suizid verboten. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Gesetz für nichtig erklärt, weil mit ihm das unbestrittene Recht eines Menschen, sich selbst das Leben zu nehmen, beschnitten würde. Damit sind wir aufgefordert zu handeln und in dieser ethisch schwierigen Frage eine neue Regelung zu finden. Das Bundesverfassungsgericht hat zahlreiche Hinweise an eine mögliche gesetzliche Ausgestaltung gegeben. Diese können hier nachgelesen werden.
Gemeinsam mit Abgeordneten aller demokratischen Fraktionen habe ich einen Gesetzentwurf erarbeitet. Mir kommt es auf die Balance an: Auf der einen Seite die selbstbestimmte Entscheidung von Menschen zu respektieren, andererseits einer Normalisierung des Suizids vorzubeugen, die den gesellschaftlichen Druck auf verletzliche Gruppen verstärken und damit die Selbstbestimmung einschränken würde. Wir wollen den assistierten Suizid ermöglichen, aber wir wollen ihn nicht fördern.
Ärztinnen und Ärzten wird mit einer Änderung des Betäubungsmittelgesetzes erstmals erlaubt, ein Medikament auch für einen assistierten Suizid zu verschreiben. Bislang konnten sie dies nur zur Heilung von Krankheiten. Außerdem sprach ihr eigenes Berufsrecht dagegen, das sich glücklicherweise auch geändert hat.
Eine solche Regelung hat im Bundestag bisher leider keine Mehrheit gefunden. Zurzeit loten wir das weitere Vorgehen aus und beraten, welche Änderungen ihr im Parlament zu einer Mehrheit verhelfen könnten. Wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier sollten die Kraft finden, diese ethisch schwierige Frage trotz aller belastenden Themen zu stemmen.
Unser Antrag zur Suizidprävention, den wir zusätzlich zu unserem Gesetzentwurf vorgelegt haben, war erfolgreich. Damit kann es einen Anlauf geben für noch bessere palliative Versorgung, Beratung und Hilfen.
Weiterführende Informationen:
- Gesetzentwurf zum assistierten Suizid
- Antrag zur Stärkung der Suizidprävention
- Fragen und Antworten zur Suizidhilfe
- Öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags
- 2./3. Lesung zur Neuregelung der Suizidhilfe im Deutschen Bundestag
Rede: