Ich erhalte viele Zuschriften, wie es nun mit der Unterbringung und der Integration von Geflüchteten in Deutschland weitergehen soll. Zentral ist, dass wir unseren Koalitionsvertrag engagiert umsetzen. In diesem haben wir uns einem Neustart hin zu einer geordneten, realistischen und vorausschauende Migrationspolitik verschrieben. Ganz entscheidend ist das Thema Wohnraum. Für alle.
Wir müssen die Kommunen mehr unterstützen. Bei ihnen kommt alles an, was sich irgendwo politisch tut. Die Kommunen leiden wie alle anderen auch unter dem Mangel an Arbeitskräften. Sie leiden unter der Bürokratie, wenn sie sich beispielsweise auf Förderprogramme bewerben. Der Investitionsrückstand in den Kommunen beträgt 160 Milliarden Euro. Sie sind generell unterfinanziert. Und die Kommunen sind dafür zuständig, dafür zu sorgen, dass die vielen Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Ländern in Deutschland Schutz finden und bei uns gut ankommen können.
Es ist deshalb gut, dass sich Bund, Länder und Kommunen bei dem Flüchtlingsgipfel auf eine engere Zusammenarbeit in gemeinsamen Arbeitsstrukturen und einen besseren Informationsfluss durch ein Migrations-Dashboard geeinigt haben. Der Bund unterstützt Länder und Kommunen noch mehr als bislang bei der Aufnahme von Geflüchteten durch zusätzliche Liegenschaften des Bundes und die Kostenübernahme der Instandsetzung dieser Liegenschaften. Die Länder sind gefordert, die vom Bund zur Verfügung gestellten 2,75 Milliarden Euro eins zu eins an die Kommunen weiterzugeben.
Das alles reicht aber noch nicht, um die Kommunen angemessen zu entlasten. Klar ist: In Sachen Humanität dürfen keine Abstriche gemacht werden. Aus innenpolitischer Sicht halte ich die folgenden fünf Punkte für zentral. Sie kommen allen Menschen in Deutschland zugute, egal ob neu angekommen oder schon lange hier.
1) Geflüchtete erst mit Aufenthaltsstatus in Kommunen verteilen
Menschen, die nicht schutzbedürftig sind, sollen gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden. In die Kommunen sollen nur diejenigen verteilt werden, die einen Aufenthaltsstatus erhalten (zweistufiges Verfahren). Dafür braucht es noch einmal Anstrengungen zur Verbesserung und Beschleunigung der Asylverfahren.
Außerdem müssen wir das Ankommen und Hereinkommen der Menschen in Deutschland viel besser organisieren. “Wir sind ein Einwanderungsland. Nun müssen wir ein besseres Integrationsland werden”, hat Innenministerin Nancy Faeser zu Recht gesagt. Dazu muss eine durchgängige sozialarbeiterische Begleitung von der Erstaufnahme bis in die Kommunen sichergestellt werden.
2) Freiwillige Aufnahme durch EU-Gelder fördern
Städte und Kommunen sind für die europäische Flüchtlingspolitik entscheidend. Kommunen, die sich freiwillig zur Aufnahme und Integration von Asylsuchenden bereit erklären, sollten deshalb EU-Gelder für die Kosten der Flüchtlingsunterbringung sowie einen Beitrag in derselben Höhe für die Finanzierung von Entwicklungsprojekten bekommen, die von Bürgerinnen und Bürgern mitentwickelt werden und allen zugutekommen. Die Förderung der kommunalen Infrastruktur aus einem EU-Fonds kommt vor Ort allen Menschen gleichermaßen zugute, Aufnahme und Integration von Asylsuchenden wird so zum alle betreffenden gemeinsamen Projekt.
3) EU-Solidaritätsmechanismus aussetzen
Innerhalb der EU müssen Asylverfahren vereinheitlicht werden. Wir brauchen Asylzentren für die Erstaufnahme in der EU, in denen gleiche Standards gelten, schnell entschieden wird und aus denen die Menschen nach ihrer Anerkennung gerecht weiterverteilt werden können. Mit dem EU-Solidaritätsmechanismus gibt es endlich ein Modell, wie wir in Europa zu einer faireren Verteilung von Geflüchteten kommen können. In der aktuellen Lage führt der Mechanismus allerdings zu einer noch ungleicheren Verteilung von Geflüchteten in Europa. So nimmt etwa Deutschland, das bereits rund eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen hat, Geflüchtete aus Italien auf, das gemessen an der Bevölkerungsanzahl eine verschwindend geringe Anzahl ukrainischer Geflüchteter aufgenommen hat. Der Solidaritätsmechanismus wird so ad absurdum geführt und sollte deshalb ausgesetzt werden.
4) Rückführungen konsequent umsetzen
In der Ampel haben wir uns die konsequente Rückführung von vollziehbar ausreisepflichtigen Personen zum Ziel gesetzt. Erste Maßnahmen für eine verbesserte Abschiebung von Straftätern sowie eine Verlängerung der Dauer der Abschiebungshaft für bestimmte Fälle sind bereits zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Die gesetzlichen Möglichkeiten müssen konsequent genutzt werden, etwa auch unter verstärkter Einbeziehung der Bundespolizei bei der Rückführung von Straftätern und Gefährdern. Weitere Maßnahmen werden mit dem Migrationspaket II folgen. Dieses muss von den Koalitionspartnern jetzt prioritär auf den Weg gebracht werden. Auch werden Migrationsabkommen für eine bessere Umsetzung von Rückführungen sorgen. Hier steht der neue Sonderbeauftragte Joachim Stamp (FDP) in der Verantwortung.
5) Kommunen von Altschulden entlasten
Bis zum nächsten Flüchtlingsgipfel im April sollte die Finanzbeziehung zwischen Bund, Ländern und Kommunen grundsätzlich angegangen werden. SPD, Grüne und FDP haben sich bereits im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Kommunen zu entlasten. Neben Hilfen für Zukunftsinvestitionen geht es dabei insbesondere um Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen über eine Entlastung der Kommunen von Altschulden. Das sollte nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden.