Zum Rücktritt von Martin Schulz habe ich ihm folgenden Brief geschrieben:
Lieber Martin,
ich habe bei unserem Neujahrsempfang am vergangenen Freitag Folgendes gesagt:
Als ich Martin Schulz vor etwa einem Jahr begonnen habe, aus der Nähe zu beobachten, habe ich einen Mann kennengelernt, dem im Leben nicht immer alles gelungen ist. Der sich wieder aufgerappelt hat. Dem hilfreiche Hände zur Seite standen. Und der dann eine beeindruckende Karriere hingelegt hat bis zum Präsidenten des Europäischen Parlaments, der Populisten die Stirn geboten und den Friedensnobelpreis entgegengenommen hat.
Martin Schulz steht für mich als ein Modell, wie ich mir das ganze Land wünsche. Dass auch einmal etwas schiefgehen kann. Dass es auf einen selbst ankommt. Und dass man sich auf die Hilfe und Solidarität von anderen verlassen kann. Dann kann auch viel gelingen.
Davon habe ich nichts zurückzunehmen.
Dann habe ich Martin Schulz in der Fraktion erlebt. Eine Reihe dazwischen, dann saß er immer praktisch direkt vor mir, erhöht wo der Fraktionsvorstand sitzt. Ja, er war auch mal in Papiere versunken, am Handy, von links und von rechts wollte jemand etwas von ihm. Aber immer in den Momenten, wenn eine Debatte aufkam, war er aufmerksam. Wenn eine/r sich gemeldet hat, mit einer Sache, die ihm oder ihr wichtig war und andere dann ebenfalls eingestiegen sind. Dann habe ich erlebt, dass er zuhört, aufnimmt und wenn er am Ende das Wort ergriff, die Dinge versucht, einzubeziehen. Das ist, was ich auch versuche. Dass ich es bei aller Beanspruchung schaffe, zuzuhören. Wenn das Büro voll ist mit vielen Menschen mit vielen einzelnen Anliegen, die ich nicht alle lösen kann. Aber wenigstens zuhören, aufnehmen und vielleicht doch das eine oder andere verbessern helfen.
Davon habe ich nichts zurückzunehmen.
Dann habe ich sein Buch gelesen. „Was mir wichtig ist“, das schmale Bändchen aus dem Wahlkampf. Eigentlich habe ich es nicht gelesen, sondern erst einmal ans Ende geblättert. Und da ist mir auf der vorletzten Seite der Hinweis aufgefallen: Die Erlöse aus dem Verkauf dieses Buches gehen an den Deutschen Kinderschutzbund. Danach habe ich das Buch nicht mehr lesen müssen. Es ist, wie ich mir Sozialdemokraten wünsche: dass sie mit allen ihren Talenten und Gaben versuchen, etwas für andere zu tun.
Auch davon habe ich nichts zurückzunehmen.
Lieber Martin,
es ist jetzt praktisch alles anders gekommen, als erhofft. Noch kann niemand eine Idee haben, wozu vielleicht auch dies am Ende gut gewesen sein soll. Deinen Verzicht habe auch ich am Ende für unausweichlich gehalten. Ganz persönlich: Seit mehr als einem halben Jahr hatte ich das Gefühl, Du seist nicht Du selbst, nicht bei Dir selbst. Wenn das, zum Teil möglicherweise, zutrifft, ist jetzt vielleicht wieder eine Chance, zurückzufinden. Dann ist im Leben das meiste gut.
Für die Zukunft alles Gute!
Dein Lars