Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Abonnentinnen und Abonnenten der Berliner Zeilen,
immer wenn die „Berliner Zeilen“ nicht von Lars Castellucci selbst verfasst werden, dann gibt es auch einen Grund dafür. Heute darf ich mich nach sechseinhalb Jahren Zusammenarbeit mit Lars Castellucci bei Ihnen und Euch verabschieden. Für mich ist dies eine gute Gelegenheit, zurückzuschauen und ein paar Eindrücke zu teilen, die ich hinter den Kulissen des Berliner Büros gewonnen habe.
Als sich SPD und Union im Jahr 2018 zu einer neuerlichen großen Koalition zusammenraufen konnten, übernahm Lars Castellucci in der SPD-Bundestagsfraktion zwei neue Ämter: Er wurde migrationspolitischer Sprecher und Beauftragter für Kirchen und Religionsgemeinschaften. Um ihn bei beiden Funktionen zu unterstützen, kam ich in sein Büro. Was es bedeutet, zwei Sprecherfunktionen und damit Politikbereiche eines Bundestagsabgeordneten zu betreuen, mag für viele nur zum Teil vertraut sein. Für mich damals war das jedenfalls weitläufiges Neuland, das sich erst nach und nach erschließen sollte.
In der damaligen Fraktionsarbeitsgruppe Migration und Integration, die ich koordinieren durfte, halfen wir dabei zu klären, wie die sozialdemokratische Antwort auf globale Wanderungsbewegungen und zunehmende Vielfalt im eigenen Land lautet. Wir veranstalteten Fraktionstagungen, Expertengespräche und banden gegensätzliche Positionen in unserer Partei in den Prozess ein. Dabei konnten wir die Basis legen für Regierungsprogramm, Koalitionsvertrag und jetziges Regierungshandeln. Migration findet statt, seitdem es Menschen gibt. Umso wichtiger ist es, sie zu verstehen, zu ordnen und zu steuern. Genauso wichtig ist es, dass Politik ermöglicht, dass alle Menschen in Deutschland gut zusammenleben, egal woher sie kommen oder wie lange sie schon hier sind. Heute unterscheiden wir viel klarer zwischen freiwilliger und erzwungener Migration und setzen auf europäische Lösungen statt auf nationale Alleingänge.
Dass verantwortliches Regieren neben solchen grundsätzlichen Linien auch immer aktuelle Ereignisse berücksichtigen muss, sehen wir in diesen Tagen, wenn die SPD-geführte Bundesregierung etwa ein großes Sicherheitspaket schnürt. Als amtierender Innenausschussvorsitzender ist Lars Castellucci seit ein paar Jahren an zentraler Stelle verantwortlich für die Leitung eines gewichtigen Ausschusses, das rückt ihn noch ein wenig mehr ins Geschehen – und uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihm.
Durchgehend seit 2018 ist er Religionsbeauftragter der SPD-Fraktion. Es geht dabei einerseits um die vielfältigen Beziehungen zu den Kirchen und religiösen Gemeinschaften in Deutschland. Andererseits braucht man eben auch in der Politik ein Gespür für religiöse Phänomene in unserer Zeit – Religionskompetenz, wenn man so will. Wann immer ich bei religionspolitischen oder theologischen Fragen innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion helfen konnte, tat ich dies besonders gern. Der SPD steht Religionskompetenz jedenfalls gut. Dass etwa in den Kirchen jeden Tag unglaublich viele Menschen für andere viel Gutes tun, wird leider immer wieder von schlechten Nachrichten überlagert. Die langwierige und komplizierte Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Institutionen zu verbessern, ist uns daher ein besonderes Anliegen. Welche Rolle der Staat bei der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs zukünftig einnehmen sollte, hat Lars Castellucci letzte Woche in seiner Rede skizziert.
Ein weiteres, weniger religionspolitisches, doch vielmehr ethisches Thema, das uns intensiv beschäftigt, ist die Neuregelung des assistierten Suizids. Auch wenn unser letzter Gesetzentwurf aus der Feder einer fraktionsübergreifenden Gruppe keine Mehrheit gefunden hat, ist ein neuer Anlauf in Sicht. Die Auseinandersetzung darüber, wie Menschen aus dem Leben scheiden und die freie Entscheidung des Einzelnen sichergestellt werden kann, lässt Abgeordnete über parteipolitische Grenzen hinweg vertrauensvoll und verlässlich zusammenarbeiten. Das war für mich eine besondere und ausgesprochen menschliche Erfahrung!
Ein richtig schönes Vorhaben von Lars Castellucci befindet sich außerdem in den Startlöchern: #wirdgut! Politik kümmert sich nicht genug um die Zukunft. Wie wir wieder Hoffnung finden und zusammen unsere Welt zum Besseren gestalten können, das ist das Ziel von #wirdgut. Gemeinsam wollen wir uns auf den Weg machen, die Zukunft zurückzuerobern. Wir alle können gespannt sein, wie es mit diesem Projekt weitergeht, dem ich mit anderen auf die Sprünge helfen konnte.
Zu guter Letzt möchte ich mich bedanken für die tolle Zusammenarbeit, herzlichen Kontakte und vielen lehrreichen Begegnungen mit tollen Menschen in den letzten Jahren, ob in Berlin oder im schönen Wahlkreis zwischen Kraichgau und Odenwald. Ich werde diese lehrreiche Zeit im Deutschen Bundestag in bester Erinnerung behalten und mich an anderer Stelle, nämlich bei der Evangelischen Kirche in Deutschland, weiter für ein gutes Miteinander und die gemeinsame Hoffnung auf eine gute Zukunft einsetzen.
Ihr und Euer
Julian-Christopher Marx
PS. Auch der Bundeskanzler hat übrigens in seiner Regierungserklärung in dieser Woche zu internationalen Fragen Orientierung verschafft, nachzuschauen hier.
Termine
- Mittwoch, 23. Oktober, 19:00 Uhr: Podiumsdiskussion zu den „Aufarbeitungsprozessen sexuellen Missbrauchs in den Kirchen“ mit Kerstin Claus (Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs), der Katholischen Akademie Freiburg und des Arbeitskreises der Christinnen und Christen in der SPD Baden-Württemberg, Universität Freiburg, KG I, Hörsaal 1199 oder als Livestream (Um Anmeldung wird gebeten)
- Donnerstag, 24. Oktober, 19:30 Uhr: Nominierungskonferenz zur Bundestagswahl im Wahlkreis 277 Rhein-Neckar, Bürgerhaus Mühlhausen, Schulstraße 6, Mühlhausen